Ungewöhnlich. Gleich zweimal ist Jesus auf der „Alltagsseite“ des modernen Flügelaltars zu sehen, der auf Initiative der keb in diesem Herbst in der Ulmer Wengenkirche aufgestellt war. Als Jesuskind sehen wir den Gottessohn an der Seite seiner Mutter. Aber statt mit Neugier und Freude auf den Knaben zu sehen, ein Geschenk des Himmels, wirkt Maria erschöpft. Hat das Kind ihr den nächtlichen Schlaf geraubt, die letzte Kraft, den Verstand? Der Kleine heischt um die Aufmerksamkeit der Mutter. Er möchte ihr zeigen, dass der Mast seines Spielzeugschiffes zerbrochen ist. Ein Vorzeichen für das Leid, das beiden bevorsteht? Dieses Leid ist mit dem toten Sohn im Schoß der Mutter schon gegenwärtig. Das Bild ist beides zugleich: Madonna mit Kind und Pietà.
Was hat das alles zu bedeuten? Das scheint sich auch der alte weise weiße Mann zu fragen, der in einem Stapel Büchern nach Erkenntnis sucht. Ist es Simeon, der nicht sterben will, bevor er das heilbringende Licht der Welt zu sehen bekommt? Das Suchen nach Antworten auf die Rätsel der Welt hat ihn müde gemacht. Er wird doch nicht diesen Moment verschlafen, da die Lösung ihm direkt vor der Nase erscheint? Die Blätter des Buches sind leer, denn das Wort ist Fleisch geworden und tänzelt aus dem Codex. Direkt geht es über in den toten Körper im Schoß der Mutter. Ihre Müdigkeit und Trauer breitet sich auf die Umstehenden aus. Hat der Engel des Herrn, der Rosen schneidend daher schreitet, den Erstgeboren zurückgefordert? Hat der unsichtbare Vater im Himmel den Sohn in der Blüte seines Lebens dem grauenhaften Tod ausgeliefert?
Will man so etwas zu Weihnachten sehen? Wenigstens für einen Moment möchte man sich am Idyll erfreuen, an der heilen Welt des trauten Paars mit ihrem Knaben im lockigen Haar. Doch dem ist seine Bestimmung in die Krippe gelegt und damit der Mutter in den Schoß. Ist das, was sich hier abzeichnet, das Ende? Grund zur Verzweiflung? Daraus errettet uns ein Kunstgriff. Der Altar lässt sich aufklappen. Die Wandlung zur „Festtagsseite“ führt direkt zum Auferstandenen. Das neue Leben setzt sich durch, sprengt die Enge und das Dunkel. Ostern steht zwar noch im Schatten von Weihnachten und Karfreitag. Aber es wirft sein durchdringendes Licht voraus. Das Unheil verschwindet nicht, aber es wird verwandelt. Kommt und seht.
Bild: Kunstprojekt ALTAR von Ursula Mayländer-Welte, Bernd Schwander, Norbert Riggenmann, ausgestellt in der Ulmer Wengenkirche vom 7. Oktober bis 16. November 2023
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